Cafe Palestine Freiburg e.V. ist ein politisch- kulturelles Forum, das über die Situation im Nahen Osten berichten, persönliche Schicksale vorstellen und namhafte Referenten zum Thema einladen möchte. Die kulturelle Vielfalt Palästinas soll durch kleine Konzerte, palästinensische Folklore, Literatur und Kunst gezeigt werden.

Reaktionen auf die Absage der Nakba-Austellung



Potestbrief der Deutsch Arabischen Gesellschaft

Sehr geehrte Damen und Herren, 

mit Bestürzung habe ich erfahren, dass die NAKBA-Ausstellung nicht wie geplant in den Räumen der Stadtbibliothek Freiburg (noch in anderen städtischen Räumen) gezeigt werden darf.

Zu allererst möchte ich anführen, dass diese Ausstellung im Juli 2009 vier Wochen lang in Karlsruhe zu sehen war. Zusammen mit anderen Friedensaktivisten habe ich die Ausstellung organisiert, für die uns dankenswerter weise Verd.i  Räume zur Verfügung gestellt hat. Sowohl die Ausstellung selbst als auch die Vortragsveranstaltungen im Rahmenprogramm wurden vom Publikum gut angenommen. Viele Gäste bedankten sich mündlich oder schriftlich (Gästebuch) für die Möglichkeit, ASPEKTE des Nahost-Konfliktes kennen gelernt zu haben, über die sie bisher gar nicht oder nicht ausreichend informiert waren. Somit hat diese Ausstellung einen wichtigen BILDUNGSAUFTRAG erfüllt. Nebenbei, zur Eröffnungsveranstaltung war auch die jüdische Gemeinde eingeladen, aber weder zu dieser noch zu anderen Veranstaltungen kamen Vertreter, um an Diskussionen teilzunehmen.

Über ähnliche Rückmeldungen berichten auch die Organisatoren der Ausstellung andernorts - die Ausstellung wurde ja bisher an sehr vielen Einrichtungen, in der Mehrzahl Bildungseinrichtungen wie Schulen, Volkshochschulen, Universitäten, aber auch Kirchen, in der ganzen Bundesrepublik gezeigt, die offenbar alle den Eindruck hatten, in Punkto Berichterstattung über die geschichtlichen Ereignisse und Entwicklungen in Palästina gebe es eine Informationslücke. Dass die Ausstellung sowohl von kirchlicher wie staatlicher Seite gefördert wurde (eed bzw. sez), beweist hinlänglich, dass die dort prüfenden Experten nicht der Meinung waren, es fehlten „gewisse Aspekte“. Wenn eine Ausstellung ein bestimmtes historisches Thema darstellt, und das ist in diesem Fall sachlich, nüchtern, umfassend und gut dokumentiert geschehen, zum Thema „Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ , kann man nicht erwarten, dass nebenbei das Schicksal der Juden in Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts thematisiert wird. (Wenn damit die fehlenden „Aspekte“ gemeint sein sollten. Die Fülle des Informationsmaterials dazu ist mittlerweile fast unüberschaubar.) Soweit der Kontext es erfordert, wird durchaus darauf hingewiesen (z.B. Banner 2 oder S. 7 oben in der Begleitbroschüre).

Falls diese „fehlenden Aspekte“ der tatsächliche Grund für die Absage sein sollten, ist es völlig unverständlich, warum sie erst neun Tage vor Ausstellungseröffnung erfolgte. In einem zivilisierten Land sollte man davon ausgehen dürfen, dass die Verantwortlichen von ihrer Lesekompetenz sinnvollen Gebrauch machen. Die Unterlagen lagen den zuständigen Stellen seit Mitte September vor!  - Die verbalen Ausfälle gegen einzelne Personen (Evelyn Hecht-Galinski und Edi Hepstein) lassen anderes vermuten, was sich mit verschiedenen ähnlich gelagerten Vorkommnissen der jüngsten Vergangenheit deckt:

Alles, was geeignet erscheint, die israelische Politik und Geschichte in einem eher negativen Licht erscheinen zu lassen, seien es Vorträge, Interviews, Ausstellungen, Filme, Artikel, Bücher, werden von so genannten Israel-Freunden torpediert, und zwar mit allen Mittel, bis zur Gefährdung der Existenz von Personen, die die Zivilcourage haben, ihre fundierte Meinung zu äußern, und sich nicht einschüchtern lassen. Das geschieht manchmal von der Öffentlichkeit unbemerkt im Vorfeld, aber mittlerweile auffällig oft in vorletzter Minute, offensichtlich um Ausweichmöglichkeiten zu erschweren bzw. unmöglich zu machen.

Dieses Klima der Beschränkung der Meinungsfreiheit ist einer Demokratie zutiefst unwürdig. Gerade in unserer Republik, die noch keine lange Tradition offener, zivilisierter, ehrlicher Streit - und Diskussionskultur hat, ist es besonders wichtig, auch Ansätzen vorauseilender Gleichschaltung und innerer oder (inoffiziell erzwungener) äußerer Zensur aufs Entschiedenste zu begegnen. Und gerade in Baden sind wir doch stolz auf traditionelle Liberalität und Toleranz. Sollte sich ausgerechnet das grüne Freiburg als Enklave aus dieser hehren Tradition ausklinken wollen?

Gedanken- und Meinungsfreiheit zählen zu den besonders schützenswerten, weil am ehesten schleichend zu unterwandern, Grundwerten und -rechten unseres Landes. WEHRET  DEN  ANFÄNGEN!!  Sie, meine Damen und Herren, tragen persönliche Verantwortung dafür, dass diese Werte und Rechte nicht angetastet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Helgard Barakat 






                                                                                     
                                                                                     



Helgard Barakat
76139 Karlsruhe



Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,


schon die Nachricht über die unerwartete Absage der NAKBA-Ausstellung in der Stadtbibliothek Freiburg hat mich schockiert, aber nach der Lektüre der diesbezüglichen Pressemitteilung war ich sprachlos. Hier trifft das arabische Sprichwort „Die Entschul-digung (hier Erklärung) ist schlimmer als die Tat“ zu.

Waren schon die Umstände der Absage (später Termin, Nicht-Einbeziehung der Veranstalter in den Runden Tisch, verweigerte zeitgerechte Kommunikation mit den Veranstaltern) unverständlich und schlimm genug, so kann man über die Wortwahl und Unterstellungen in der Pressemiteilung nur ungläubig den Kopf schütteln. Als demokra-tisch gesinnte Bürgerin fühle ich mich zum Widerspruch aufgefordert, sozusagen als Akt der Zivilcourage.

Hier muss ich erklärend anfügen, dass ich bei der Organisation der NAKBA-Ausstellung in Karlsruhe im Juli 2009 maßgeblich beteiligt war und die Ausstellungsbanner sehr gut kenne. Um ganz sicherzugehen, nichts Falsches zu behaupten, bin ich die Begleitbro-schüre, die ja eine Miniaturausgabe der Ausstellung ist, nochmals penibel durchgegan-gen. Für keinen Ihrer Vorwürfe und keine Ihrer Unterstellungen habe ich den geringsten Anhaltspunkt gefunden:

1.)  Einseitige Darstellung des Themas: Das lautet „Flucht und Vertreibung der   
      Palästinenser 1948. Dazu werden sachlich und nüchtern wissenschaftlich fundierte  
      Fakten dargestellt. Die „Heimholung“ arabischer Juden nach Israel gehört nicht zum
      Thema und fand erst in den 50-er Jahren statt. Die Umstände sind wahrlich
      kompliziert: teils wurden sie „vertrieben“, weil ihre Loyalität in Frage stand; teils 
      durch Versprechungen verlockt; teils durch massive „Manipulationen“ des
      israelischen Geheimdienstes gezwungen/veranlasst, „freiwillig“ nach Israel zu
      gehen. Das bezeugen Betroffene.

2.)  Einseitige Schuldzuweisungen: Mit keinem Wort wird eine Schuld zugewiesen.
      Wenn Sie aufgrund der unbestrittenen Fakten zu dem Schluss kommen, dass die
      Schuld für Flucht und Vertreibung hierfür bei Israel liegt, dann ist das eine 
      Schlussfolgerung. Die Zitate von Zionisten (angefangen von Herzl, 1895, bis zu
      Ben Gurion, 1938, 1947 und 1948) belegen allerdings, dass der „Transfer“ von
      Anfang an Teil des zionistischen Projektes war. Besonders bemerkenswert ist
      hierbei das letzte Zitat aus Ben Gurions Kriegstagebuch vom 15. Januar 1948 (also
      2 Monate nach der UN-Teilungsresolution und 4 Monate vor der Unabhängigkeits-
      erklärung!) das strategische Ziel sei die Zerstörung der palästinensischen
      Gemeinden, in denen die palästinensische Elite wohnte…..
      Außerdem wird auf mahnende jüdische Stimmen hingewiesen (Buber, Arendt,
      Magnes) und auf die Tatsache, dass es zwischen palästinensischen und jüdischen
      Ortschaften Nicht-Angriffspakte gab. Dass diese von israelischen Militärs, nicht von
      den Einwohnern, faktisch gebrochen wurden, liest sich hier „Sie hatten keinen
      Einfluss auf die weitere Entwicklung“. (S.10) Das nenne ich Euphemismus.

      Unerwähnt bleibt, dass Zionisten Einfluss auf die Formulierung sowohl der Balfour-
      Erklärung wie des Auftrags des britischen Mandats nahmen, was sich auf die
      künftigen Entwicklungen sehr zu Ungunsten der Palästinenser auswirkte. Ebenso
      unerwähnt der massive Einfluss, den die USA auf finanziell abhängige Staaten
      ausübte, der Teilungsresolution zuzustimmen. Ansonsten wäre die Resolution
      gescheitert. – Alles ungenutzte Gelegenheiten, „Schuld“ zuzuweisen.

3.) Freund-Feind-Schema: Die Erwähnung von Bereitschaft auf jüdischer Seite zu
     friedlicher Koexistenz (Buber u.A., Nicht-Angriffs-Pakte) führen den Vorwurf ad
     absurdum. Wenn dies allerdings nur Ausnahmen waren, ist das wohl nicht Schuld
     der Palästinenser.

4.) jüdische Alleinverantwortung: Auf Seite 12 sind die Fluchtgründe aufgelistet:
     Aufforderungen arabischer Instanzen  5%, keine Angaben 11% - verbleiben nach
     Adam Riese 84% durch Aktionen seitens Israel. Die Angaben stammen übrigens
     von der israelischen Armee IDF !!

5.) Hitlerdeutschland wollte keinen jüdischen Staat: In den 30-er Jahren
     unterstützten die Nazis die Auswanderung von Juden nach Palästina. In der
     Endphase unterbreiteten zionistische Splittergruppen einen Tauschhandel: Lkws
     gegen „junge, kräftige“ Juden aus Ungarn, der allerdings nicht zustande kam. Relativ
     unbekannt ist, dass einige Zionisten und Rabbis die Nürnberger Rassengesetze
     willkommen hießen, weil durch sie die assimilierten Juden gezwungen würden, sich
     ihres Judentums bewusst zu werden, und eher geneigt sein würden, nach Palästina
     auszuwandern.

6.)  Unversöhnlichkeit der Lager: Es ist leider wenig bekannt, dass von arabischer
      Seite mehrfach versucht wurde, eine friedliche Lösung herbeizuführen, allerdings
      auf Grundlage der relevanten UN-Resolutionen, was von israelischer Seite
      jeweils ignoriert oder abgewiesen wurde. (Bei Bedarf nenne ich gerne Quellen.)

7.)  Anti-Semitismus und Pogrome: Gehört nicht eigentlich zum Thema, wird aber
      mehrfach thematisiert. (S. 4,S. 6, S. 7)

Eingangs, auf Seite 3, erklärt der Verein „Flüchtlingskinder im Libanon“, warum diese Ausstellung gemacht wurde: Verständnis für die Lage der Palästinenser zu wecken durch Vermittlung von Hintergrundwissen, da aufgrund der historischen Schuld Deutschlands einem Großteil der Bevölkerung bislang zu wenig über die historischen Hintergründe des Schicksals der Palästinenser bekannt ist. Eine vornehmliche Berück-sichtigung der jüdischen Schicksale führt unweigerlich zu einer einseitigen Wahr-nehmung.
- Ich selbst habe in meiner Oberstufenzeit Mitte der 60-er Jahre nur über den Holocaust und die bewundernswerte Staatsgründung Israels gehört. – Dass viele Menschen für diese Wissensvermittlung und Anregung zu eigenem Weiterforschen sehr dankbar sind, habe ich während der Ausstellung in Karlsruhe immer wieder erlebt. Manche fragten auch: „Warum erst jetzt?“ Diese Ausstellung erfüllt somit durchaus einen Bildungs-auftrag.

Die Tatsache, dass die Ausstellung von kirchlicher und staatlicher Seite (eed und sez) gefördert wurde, beweist wohl hinlänglich, dass die dortigen Experten bei der Über-prüfung keine einseitige tendenziöse Darstellung erkennen konnten.

Die Anführung nicht zutreffender Vorwürfe und Unterstellungen lässt zwei Schlüsse zu:

1.) Mangelndes historisches Wissen; dann sollte man sich hüten, sich bloßzustellen.

2.) Bewusster Gebrauch von „Totschlag-Argumenten“, um die Gegenseite zu            
     diffamieren. Das wäre ein typischer Fall von Chuzpe.

Vielleicht ist Ihnen nicht bekannt, dass die israelischen Regierungen schon seit längerem versuchen, durch gezielte PR- bzw. Störprogramme, das Image Israels „aufzuschönen“ bzw. kritische und unbequeme Darstellungen zu verleumden. Nach der Militäroperation in Gaza und der Veröffentlichung des Goldstone-Berichtes wurde der entsprechende Etat massiv aufgestockt und die Bemühungen intensiviert.
Leider passt Ihre Absage anscheinend/scheinbar in dieses Schema. Ich will Ihnen beileibe nichts unterstellen, honi soit qui mal y pense. Aber ich halte Ihre Entscheidung schon aufgrund der demokratischen Grundwerte für bedenklich; sie hat nun mal angesichts der Umstände ein „haut gout’le“ oder „G’schmäckle“, wie wir im Nord- badischen sagen.

Auf jeden Fall war sie kein „Salomonisches Urteil“. Das hätte vielleicht so aussehen können: Die Ausstellung findet statt unter der Bedingung, dass ein zionistischer Vertreter ein Referat halten darf, (so sich einer findet), oder dass es zumindest eine Podiumsdiskussion gibt mit Repräsentanten der verschiedenen Seiten. Das wäre auch eine Förderung der bei uns in Deutschland bislang unterentwickelten Streitkultur.

Mit freundlichen Grüßen

Helgard Barakat






                                                                                                             
                                                                                                             


 Herrn Oberbürgermeister
Dr. Salomon
Freiburg im Breisgau




Sehr geehrter Herr Dr. Salomon,

ich habe die Pressemitteilung Ihres Pressereferates vom 4. Nov. 2010 erhalten. Wenn etwas polarisierend und einseitig ist, dann diese. Offensichtlich wurden nur die seit langem bekannten Behauptungen und Geschichtsfälschungen der zionistischen Seite für die Rechtfertigung der Vertreibungen übernommen. Diese Darstellungen wurden von israelischen Historikern, wie Tom Segev und Ilan Pappe eindeutig widerlegt.

Bei den Hinweisen auf die "Nakba" der Juden aus arabischen Staaten wird zum Beispiel von Ihrer Pressestelle und somit auch von Ihnen unterschlagen, daß diese "Nakba" durch die israelische Staatsgründung auf arabischem Gebiet mit der gewaltsamen Vertreibung der Bewohner ausgelöst und sogar von Israel gefördert wurde, z. B. durch Anschläge des jüdischen Geheimdienstes auf jüdische Einrichtungen in arabischen Staaten, um diese der moslemischen Bevölkerung anzulasten und die dortigen Juden, die Jahrhunderte unbehelligt dort gelebt hatten, zur Auswanderung nach Israel zu veranlassen.

In der Jüdischen Zeitung Nr. 11/2010 ist zu lesen, daß es immer schwieriger wird, ausländische Juden zur Einwanderung nach Israel (bzw. in die besetzten Palästinensergebiete) zu bewegen, denn "Grund ist der "Mangel an Antisemitismus."" Und wer den Antisemitismus in der Welt züchtet, hat Uri Avnery schon im Jahre 2003 beschrieben, wie Sie den Anlagen entnehmen können.

Wenn die israelische Version der Staatsgründung  gefeiert wird und dabei die Folgen für die Palästinenser vollkommen ausgeblendet werden - wie allgemein üblich - dann stört sich niemand an der Einseitigkeit. Oder haben Sie dann gefordert: "Ihr müßt aber auch die Nakba der Palästinenser darstellen?". Deshalb ist es wichtig, auch die andere Seite zu zeigen. Aber dies versuchen die Nethanjahu und Avigdor Lieberman unterstützenden Kreise zu verhindern. So wird zur Zeit auch in Frankfurt versucht, den in Frankfurt geborenen Alfred Grosser am 9. November am Reden zu hindern, weil er hinsichtlich Israel nicht die gleiche Meinung wie der Zentralrat vertritt. Aber dort hat die Oberbürgermeisterin offensichtlich genügend Rückgrat, um sich nicht dem Druck zu beugen. (In der Sendung Kulturzeit am 4.11.2010 wurde darüber berichtet.)

Ich habe die Nakba-Ausstellung in Bonn gesehen und dort hat es keine Einwände gegeben. Nur in Freiburg wird eine Zensur ausgeübt, um den Bürgern die Möglichkeit zu nehmen, sich zu informieren und sich selbst ein Urteil zu bilden. So weit sind wir also schon wieder. Der aus Rußland nach Deutschland eingewanderte Mark Aizikovitch beklagt in der Jüdischen Zeitung an anderen Beispielen die "Zensur in der Bundesrepublik". "So schreibt er: "Man muß seine (Freuds) Erkenntnisse nicht teilen, aber man muss über sie reden können, sich ein eigenes Urteil bilden können." Derartiges versuchen Sie aber mit ihrem Verbot zu verhindern. Und wenn man etwas nicht widerlegen kann, dann argumentiert man mit Einseitigkeit, wie beim Goldstone-Bericht und dem UN-Bericht über den Überfall auf die Gaza-Flottille.

Ich füge noch Auszüge aus Büchern von den unbestechlichen jüdischen  Autoren Alfred Grosser, Uri Avnery, Baruch Kimmerling und Susan Nathan bei. Außerdem sollten Sie und ihre Mitarbeiter/innen in der Pressestelle mal lesen, was Erich Fried im Juli 1982 unter der Überschrift "Eine reaktionäre Todesfalle auch für die Juden" sagte. Ich habe den Eindruck, daß es bei Ihnen ein erhebliches Informationsdefizit gibt. Aber das läßt sich überwinden, wenn man sich der ideologischen Scheuklappen entledigt. Bei mir war es ja auch mal so.

Abschließend noch etwas Ironisch-hintergründiges von Erich Fried:

Die Seitigen

Daß einer
einseitig ist
das ist eigentlich immer
das entscheidende Argument gegen jedes Wort
das er sagt

Und das kann
gar nicht anders sein
denn irgend ein Vorteil
muß den Doppelseitigen
und den Vielseitigen
doch bleiben

Mit freundlichen Grüßen

Siegfried Ullmann







                                                                                                                                                                           





An:  Herrn Oberbürgermeister Salomon
Stadt Freiburg








Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
aus der Presse habe ich erfahren, dass die Stadt Freiburg verfügt hat, dass die NAKBA-Ausstellung, die am 12.11.10 in der Stadtbibliothek Freiburg unter der Schirmherrschaft der Holocaust-Überlebenden Hedy Epstein eröffnet werden sollte, nicht in städtischen Räumen gezeigt werden darf. Die offizielle Begründung dafür lautet: "Es ist zwar alles richtig, was dort gesagt wird, aber es fehlen einige Aspekte" (Mitarbeiterin des Dezernats II).
Gegen dieses Verbot, welches einer Zensur gleichkommt, protestiere ich hiermit auf das Entschiedenste. Das Verbot, die Ausstellung in den Räumen der Stadt zu zeigen, verletzt die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Informationsfreiheit in unverantwortlicher Weise.
- Die Darstellungen und Aussagen der Ausstellung decken sich zweifelsfrei mit den aktuellen Ergebnissen der historischen Forschung, wie sie auch von israelischen Historikern vorgelegt wurden. Ich verweise nur auf die Veröffentlichungen von Simcha Flapan („Die Geburt Israels“), Ilan Pappe („Die Ethnische Säuberung Palästinas“) und Tom Segev (Die ersten Israelis“), um nur einige zu nennen.
- Die Ausstellung wurde vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) und von der Stiftung Entwicklungszusammenarbeit Baden Württemberg (SEZ) gefördert. Diese Förderung hätte sicherlich nicht stattgefunden, wenn die dargestellten Fakten nicht stimmen würden.
- Die Ausstellung ist bereits an verschiedenen Orten - so auch in Ulm - ohne Beanstandungen gezeigt worden. Es ist sicherlich Ihr gutes Recht, nachzuprüfen, ob bestimmte Informationen richtig oder zu beanstanden sind. Im Sinne der demokratischen Meinungsbildung hätten Sie jedoch die Gelegenheit ergreifen sollen, sich mit dem Veranstalter über Ihre Einwände auseinanderzusetzen, statt zur Maßnahme der Zensur und damit zu einem Verbot zu greifen.
Ich bitte Sie freundlich mir mitzuteilen, welche Informationen in der Ausstellung zum Verbot geführt haben, damit in transparenter Weise die Diskussion über die beanstandeten Inhalte geführt werden kann. Nur auf diesem Wege eines öffentlichen Diskurses kann dem Verdacht einer Manipulation von Seiten der städtischen Autoritäten in Freiburg entgegengewirkt werden.
Alfred Grosser, der den Friedenspreis 1975 bekommen hat, sagte einmal: „Freund Israels zu sein, sollte heißen, die harte Wahrheit zu sagen.“
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Dilschneider 




D - 89073 Ulm/Germany

An den
Oberbürgermeister
Dr. Dieter Solomon
Freiburg

                                                                                          , den  07.11.2010


                                                                                                              
                                                                                                             



Betr.:         Nakba-Ausstellung in der Stadtbibliothek Freiburg



Sehr geehreer Herr Dr. Solomon,
mit einiger Irritation etnahm ich der Presse, dass die Stadt Freiburg letzte Woche die Präsentation der Nakba-Ausstellung des Tübinger Vereins „Flüchtlingskinder im Libanon e.V.“ (Ingrid Rupf) in den Räumen der Stadtbibliothek untersagt hat.
Nun habe ich als Ulmer grundsätzlich keinen Anlass, mich zur Auswahl von Ausstellungen zu äußern, die die Stadt Freiburg in ihren Räumen zu zeigen für angebracht hält. Wenn aber, wie hier geschehen, eine bereits gegebene Zusage kurzfristig zurückgenommen und dies mit dem bloßen Vorwurf der „Einseitigkeit“ begründet wird, bekommt Ihre Entscheidung eine politische Dimension, die fragen lässt, was diesen ungewöhnlichen Schritt noch von einer willkürlichen Zensurmaßnahme unterscheidet und was wohl auf Ihrer Seite den Umschlag von anfänglicher Zustimmung zu plötzlicher Ablehnung ausgelöst hat.
Ihre Pressemitteilung, die Ihre Entscheidung wortreich begründet, muss schon darum ihr Ziel verfehlen, weil sie nicht auf den Fokus dieser Nakba-Ausstellung und ihre begrenzte Darstellungsabsicht eingeht: Entstanden im Jahr, in dem auch in Deutschland landauf landab der 60. Jahrestag seiner Staatgründung Israels gefeiert wurde, sollte die hier zur Rede stehende Nakba-Ausstellung zu Bewußtsein bringen, wie sich die Ereignisse von 1947 bis 1949 aus palästinensischer Perspektive darstellen. In dieser - auch im Titel „Die Nakba - Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948" unmißverständlich zum Ausdruck gebrachten - Fokussierung ist sie selbstverständlich ebenso einseitig, wie die von jüdischer bzw. israelischer Seite gefeierten Jubelveranstaltungen. Vor diesem Hintergrund kann Ihr Vorwurf der Einseitigkeit und Unausgewogenheit nicht wirklich ernst genommen werden.
Die „Gründe“, die Sie ansonsten in Ihrer Presseerklärung geltend machen, beziehen sich auf die Geschichte des Palästina-Konfliktes von der englischen Mandatszeit bis in die Gegenwart, sind also nicht Gegenstand der inkriminierten Ausstellung - ganz abgesehen davon, dass sich ein nun schon über ein Jahrhundert andauernder Konflikt, der trotz aller internationalen Bemühungen bis heute auch nicht ansatzweise gelöst werden konnte, unmöglich in seiner ganzen Breite „ausgewogen“ darzustellen ist.
Die Ausstellung, um die es hier geht, ist am 02. April 2008 in Ulm in Gegenwart der Initiatorin Ingrid Rumpf und des israelischen Juristen und Bürgerrechtlers Uri(el) Davis in der Volkshochschule Ulm gezeigt worden - übrigens ohne dass es, von den üblichen Vorwürfen der Einseitigkeit abgesehen, zu irgendwelchen Auseinandersetzungen darüber gekommen wäre. Von den Ausstellungsmachern weiß ich, in welchem Maß sie sich um eine bis in die Details historisch korrekte Präsentation bemüht haben, wobei es nicht nur um die sachgemäße Auswahl und semantisch wie juristisch präzise Übersetzung von Dokumenten ging, sondern auch um die Verwertung von Forschungsergebnissen israelischer Historiker seit den 80er Jahren, die mittlerweile zum nicht mehr bestrittenen Forschungsstand gehören.
Soweit ich sehe, wird die Ausstellung in Text und Bild dem Ziel einer seriösen Darstellung der Nakbah vollauf gerecht. Mir sind jedenfalls keine sachlichen Fehler aufgefallen noch auch sonst bekannt geworden. Mir ist darum kein einziger Grund bekannt, der Ihre Entscheidung für die Rücknahme Ihrer Zusage rechtfertigen könnte. Im Umkehrschluß bedeutet dies, dass Ihre Entscheidung einen Eingriff in die Meinungsfreiheit darstellt: sowohl der Ausstellungsmacher, denen Sie Steine in den Weg legen, über die Nakbah aus antizionistischer Sicht zu informieren, als auch des Publikums Ihrer Stadtbibliothek, denen Sie die Möglichkeit verwehren, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Was bleibt. ist der Eindruck einer Zensurmaßnahme, über deren wahren Gründe man nur spekulieren kann, zumal sie sich nahtlos in ähnliche Vorfälle der jüngsten Vergangenheit (Raumabsage für Ilan Pappe in Müchen 2009; Ausladung von Norman Finkelstein in München und Berlin Februar 2010; Diskussion um Alfred Grossers Einladung nach Frankfurt zum 09.11.10) einfügt.
Ich bitte Sie nach alledem, Ihre Entscheidung noch einmal zu überprüfen und, wenn Sie schon nicht mehr zurückzunehmen ist, sich wenigstens nach Kräften dafür einzusetzen, dass das Projekt dieser Nakba-Ausstellung in Freiburg jetzt aufgrund Ihres extrem kurzfristigen Rückziehers nicht scheitert, sondern, wenn schon nicht in städtischen Räumen, so doch in einem ihrer Seriosität und Qualität angemessenen Rahmen gezeigt werden kann, um dem nun einmal entstandenen Eindruck entgegen zu wirken, dass der Stadt Freiburg - jedenfalls was den Palästina-Konflikt betrifft - nicht an einer unzensierten Meinungsbildung gelegen sei.
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Manfried Wüst